Bis Herbst 2023 entsteht mit dem Westfield HamburgÜberseequartier der dichteste und am vielfältigsten genutzte Stadtraum der HafenCity. Aktuell drehen sich 27 Kräne über dem rasant wachsenden Areal
Die Containerbrücken des Hamburger Hafens sehen plötzlich klein aus, wenn man auf der Terrasse der Baubüros für das Westfield Hamburg-Überseequartier steht. Rund um die Aussichtsplattform schießen mächtige Kräne in den Himmel und verändern die Maßstäbe. Bis Herbst 2023 entstehen hier auf einer Fläche von rund zehn Fußballfeldern 14 Gebäude. An der Überseeallee etwa ist der Block „Eleven Decks“, der größtenteils Wohnungen beinhaltet, bereits im siebten Stock angekommen. Der Rohbau lässt die prägnante Terrassenbauweise erahnen, mit der die Fassade dynamisch vor- und zurückspringt (Entwurf: Carsten Roth Architekt). Vom Buenos-Aires-Kai am Magdeburger Hafen aus erblickt man die ersten Abschnitte des Arkadengangs, die dem lang gestreckten Gebäude „The Yard“ Leichtigkeit und Eleganz verleihen (Entwurf: Lederer Ragnarsdóttir Oei).
Häuserwände schweben durch die Luft
„Sobald die Gebäude aus dem Boden raus sind, wirkt ihr Fortschritt doppelt so schnell“, weiß Dirk Hünerbein. Als Director of Development Austria & Germany beim Bauherren Unibail-Rodamco-Westfield (URW) ist er für die Entwicklung des Quartiers zuständig und hat dabei auch ein genaues Auge auf das Baugeschehen. „Im Moment werden hier vor allem die Schalungen für die Betonwände gestellt“, erklärt der studierte Architekt und deutet auf die Ladungen der Kräne: Was wie einzelne Häuserwände aussieht, die am Haken der Ausleger durch die Luft segeln, sind tatsächlich Gussformen für den Beton. Die Kranführer in luftiger Höhe steuern sie behutsam heran, die Kolonnen unten im Rohbau manövrieren sie an die endgültige Position. Wenn alles bereit ist, wird der Beton mit einer langen Pumpe rund um den vorbereiteten Bewehrungsstahl in die Form gefüllt.
Von den rund 700 Arbeiter:innen auf der Baustelle sind daher aktuell die meisten Betonbauer:innen und Tischler:innen (die Schalungen bestehen aus Holzrahmen, die anschließend außen beschichtet werden). Wenn im kommenden Jahr der Innenausbau beginnt, werden es bis zu 2000 sein. In den Untergeschossen hat der Ausbau und die Verlegung der Haustechnik unterdessen bereits begonnen. Denn von außen unsichtbar gibt es unten im Boden eine zweite Großbaustelle: Das Westfield Hamburg-Überseequartier kommt auf drei Untergeschosse. Die Bodenplatte setzt in rund 14 Metern Tiefe auf.
Blick auf das Westfield Hamburg-Überseequartier
CO2-armer Zement und Recyclingstahl
Als eines der größten Bauprojekte Hamburgs benötigt das neu entstehende Quartier fraglos viel Material, zum Beispiel allein 280.000 Kubikmeter Beton für die Struktur. Dennoch schreibe man nachhaltiges Bauen groß, betont Hünerbein. „Wir nutzen ausschließlich kohlenstoffarmen Zement, der die CO2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichem Zement um die Hälfte senkt. Das Betonwerk haben wir an den Elbbrücken eingerichtet und profitieren somit von kurzen Wegen. Für die Bewehrung setzen wir auf recycelten Stahl“, erklärt er. Wo immer es möglich ist, sollen Dächer und Fassaden später begrünt werden.
URW lässt sich hierzu eigens von einer promovierten Biologin für die geeignetste Auswahl und Kombination der Pflanzen beraten. Zudem gibt man über sogenannte „Green Leases“ die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit an die Mieter:innen weiter. Wer hier künftig beispielsweise ein Geschäft, eine Gastronomie oder ein Hotel betreibt, muss sich vertraglich auf viele ressourcenschonende Maßnahmen für den Betrieb verpflichten, z. B. den Einsatz von regenerativer Energie und sparsamer LED-Technik.
Auch das Mobilitätskonzept des Überseequartiers baute von Anfang an stark auf den ÖPNV. Im Zentrum steht eine eigene U-Bahn-Station der U4. Hinzu kommen 3500 Fahrradstellplätze und 200ELadesäulen. In Zusammenarbeit mit den Initiativen zero waste Hamburg e. V. und Plastikfreie Stadt wird an einem innovativen Mehrwegsystems für den Außer-Haus-Verkauf der künftig hier ansässigen Gastronomien gearbeitet. „Die Menschen, die später hierherkommen, werden sehr genau darauf achten, wie Nachhaltigkeit tatsächlich umgesetzt wird. Das ist kein kurzlebiger Trend, sondern Teil eines neuen Selbstverständnisses, dem wir Rechnung tragen müssen und vor allem auch möchten“, so Hünerbein.
LEGOLAND kann kommen
Dass der Ansatz nicht abschreckt, beweist die Liste der Mieter:innen in den Schwerpunkten Einzelhandel, Gastronomie und Entertainment, die inzwischen für das Westfield Hamburg-Überseequartier feststehen. Sie reicht von neuen Einzelhandelsmarken für Norddeutschland wie der Premium-Department-Store Breuninger bis hin zu angestammten Akteuren mit jeweils besonderen Konzepten wie eine REWE-Markthalle oder Flagship-Stores der Drogeriekette Budnikowski und des Moderiesen ZARA. Für den Erlebnischarakter sorgen das erste LEGOLAND Discovery Centre in Norddeutschland und das immersive Digital-Art-Center Port des Lumières aus Paris. Seit in der Hamburger Innenstadt rund um die Mönckebergstraße immer mehr Kaufhäuser schließen, reißen die Gerüchte um weitere Neuzugänge nicht ab. „Es gibt wenige, die nicht das Gespräch mit uns suchen“, bilanziert Hünerbein zufrieden, ohne ins Detail zu gehen. Er legt Wert darauf, dass das Westfield Hamburg-Überseequartier nie darauf ausgelegt war, das bestehende Angebot der City zu ersetzen, sondern vor allem neue und weiterführende Angebote für eine attraktive Innenstadt zu schaffen. Auch mit Blick auf die Trends, die sich nach der akuten Pandemie-Phase dafür abzeichnen, sieht er das Quartier gut aufgestellt: „Viele Menschen haben Sehnsucht danach, wieder etwas zu erleben und andere zu treffen. Sie legen zugleich aber Wert auf großzügige Räume, möglichst an der frischen Luft. Genau das bringen wir zusammen“, sagt er.
Öffentlicher Raum am Wasser für alle
Tatsächlich wirkt die Baustelle erstaunlich weit und offen. Immer wieder schwenkt der Überseeboulevard leicht und öffnet sich in Plätze und Querstraßen. In der Blickachse nach Norden präsentiert sich die Hamburger Innenstadt, nach Süden erahnt man hinter der schweren Baugeräten das Wasser. Obwohl rundherum allein überirdisch in den Gebäuden rund 270.000 Quadtratmeter Nutzfläche entstehen, zeigt sich der öffentliche Raum damit sehr präsent. Er wird später in zentralen Bereichen überdacht. Das spektakuläre Glasdach stammt von Werner Sobek, der für seine innovative und nachhaltige Architektur insbesondere von Tragwerken im April das Bundesverdienstkreuz erhielt. Nicht zuletzt entsteht auf der Südseite eine große Promenade an der Elbe, Premiumblick auf Kreuzfahrtschiffe inklusive: Als weitere Attraktion wird ein komplettes Kreuzfahrtterminal in das Quartier integriert. Auch hier wurde auf die Ökobilanz geachtet: Während der Liegezeit werden die Schiffe von einer Landstromanlage mit grünem Strom versorgt.
Das Westfield Hamburg-Überseequartier ist als Erweiterung der Hamburger City konzipiert, von der es nur wenige Gehminuten entfernt liegt
„Ein echter Magnet“
Offensichtlich besänftigt die Mischung inzwischen sogar die langjährige Kritik, die aus der gewachsenen Hamburger Innenstadt zu hören war. „Das Westfield Hamburg-Überseequartier wird das Profil des Einzelhandelsstandorts Hamburg deutlich schärfen. Es wird ein echter Magnet werden, von dem wir alle profitieren“, sagt die City Managerin Brigitte Engler. Insbesondere für Gäste aus der Metropolregion sowie aus dem Ausland – Skandinavien gehört zu den Spitzenreitern – werde das Angebot attraktiv sein, sodass mehr Tagesgäste zu erwarten seien. Ein wichtiger Faktor ist dafür nicht das ShoppingAngebot allein. „Das Stadtbild wird immer wichtiger, besonders seit der Coronapandemie. Auch da wartet die HafenCity mit hoher Qualität auf. Zudem ist die Kombination mit gastronomischen und kulturellen Angeboten wegweisend“, so Engler. In der Innenstadt geht der Trend mit Ausstellungen wie „The Mystery of Banksy“ im ehemaligen Kaufhof-Gebäude an der Mönckebergstraße oder einer neuen Skulpturen-Ausstellung im öffentlichen Raum in eine ähnliche Richtung. Insgesamt sieht Engler die Perspektiven für den Einzelhandel in Hamburg positiv. „Wir bewegen uns langsam wieder in Richtung des Niveaus von 2019“, berichtet sie. „Insgesamt wird es allerdings zu einer Umverteilung kommen. Alle Standorte in Hamburg werden merken, dass es ein neues Quartier gibt“, prophezeit sie. Für die Integration mit der City sei es wichtig, die fußläufige Verbindung zu stärken. „Der Weg über die sogenannte „Domachse“ muss attraktiv und einladend gestaltet werden“, fordert sie. Ein wenig Zeit bleibt dafür noch: Die Eröffnung des Westfield Hamburg-Überseequartiers ist für Herbst 2023 vorgesehen.
Gesichter und Geschichten säumen die Baustelle
#unueberseebar
Bauzaun als Kunstwerk
Das Künstlerkollektiv Mentalgassi hat 33 Menschen aus der HafenCity portraitiert. Dabei ist mit einer Länge von 385 Metern das längste kuratierte Kunstwerk Norddeutschlands entstanden, welches die Baustelle des Westfield Hamburg-Überseequartiers effektvoll einrahmt. Zu jedem der Porträts ist digital ein Interview abrufbar. „Mich fasziniert besonders das Licht, die Weite und der Bezug zum Wasser“, sagt etwa die Künstlerin Fulya Celik, die seit Dezember 2021 in der HafenCity arbeitet.
Text: Henrike Thomsen
Quelle: HafenCity Hamburg GmbH, 67. Ausgabe, Hamburg, Juli 2022