Dirk Hünerbein, Director of Development Germany bei Unibail-Rodamco-Westfield
(URW) und Entwicklungschef des Westfield Hamburg-Überseequartiers, über verschobene Eröffnungstermine, fehlende Ankermieter und eigenes Pandemie-Lernen
Herr Hünerbein, Sie sind der Entwicklungschef einer der größten innerstädtischen Baustelle Europas, dem Westfield Hamburg-Überseequartier. Was hat Corona mit Ihnen und Ihrem Projekt gemacht?
Für mich persönlich wie für viele andere auch war der Shutdown eine ungewöhnliche Erfahrung. Von einem auf den anderen Tag nach Hause geschickt zu werden, aus dem Homeoffice für solch ein großes und komplexes Projekt zu arbeiten und weiter die volle Verantwortung zu tragen, war total neu. Und für das Projekt hat uns die Coronavirus-Pandemie natürlich von Anfang an vor neue, große Herausforderungen gestellt. Was bedeuten die Schutz- und Hygienemaßnahmen ganz konkret in der Umsetzung auf der Baustelle? Wie wirkt sich die europaweit umgesetzten Homeoffice-Regelungen aus? Wir mussten das für so eine große Baustelle, solch ein großes Projekt, erst einmal verstehen und auch realisieren. Bei allem Negativen, was Corona über uns alle gebracht hat, ist die Lernkurve extrem hoch gewesen.
Am Anfang war die Baubranche durchs Arbeiten an der frischen Luft weniger betroffen als etwa der Einzelhandel. Was hat dann doch auch ihre terminlichen Planungen über den Haufen geworfen, so dass Sie erst 2023 eröffnen werden?
Der relativ schnelle Lockdown hat erst einmal andere Branchen härter getroffen als den Baubereich. Corona hat aber auch bei uns alles stark verändert – vor allem weil das Projekt so international und komplex ist. Denn sowohl die Handwerker und Bauarbeiter auf der Baustelle als auch die Planer wohnen nicht mal eben ums Eck in der Hafen-City, sondern viele Partner und deren Mitarbeiter kommen aus ganz Europa, wo man erst einmal gemeinsam lernen musste, wie das denn alles unter Corona-Bedingungen mit Einreisebeschränkungen und Grenzschließungen und den nationalen behördlichen Verordnungen mit jeweils unterschiedlichen Kulturen gehen kann. Und auch im Bereich Planung findet zwar alles schon digital statt, aber neben den schon national unterschiedlichen Netzgeschwindigkeiten und -Qualitäten, mussten wir bewältigen, dass im Homeoffice zum Teil keine ausreichenden Netzkapazitäten vorhanden sind. Wir arbeiten bei den Planungen ja mit 3-D-Modellen. Auf die Modelle greift jeder Architekt und jeder Planer in diesem Projekt zu. Und damit das funktioniert gibt es in Hamburg in Kellern große Server, auf denen die Modelle abgelegt sind. Das ist im Büro kein Problem, aber wenn ich zu Hause sitze und meine Kinder videostreamen und meine Frau eine Videokonferenz hat, dann fällt es dem Laptop zu Hause relativ schwer, die 3-D-Modelle zu bewegen und zu bearbeiten. Und das ist nur ein Beispiel. In der Summe können diese kleinen Zahnrädchen plötzlich bei einem Großprojekt wie unserem ein Ungleichgewicht in die komplexen Planungs- und Bauprozesse bringen. Läuft ein kleines Zahnrädchen nicht mehr rund, haben alle anderen Zahnräder – egal, ob groß oder klein – ein Problem und es hakt. Dann dauert es im weiteren Verlauf länger, bis der ursprüngliche Takt, die ursprüngliche Geschwindigkeit, wieder erreicht wird.
Auf der Baustelle vom Überseequartier Süd hat es bislang keine Corona-Infektion gegeben?
Das ist korrekt.
Glück oder Handwerk?
Um durch eine Krise zu kommen, braucht man immer eine Portion Glück. Tatsächlich hat es jedoch auch damit zu tun, dass wir die Corona-Krise von Anfang an mit großer Sensibilität und Vorsicht angenommen haben. Das heißt, dass wir zum Beispiel auch bei uns im Büro alle Masken tragen. Und wenn im Alltag mal der Sicherheitsabstand nicht eingehalten wird, mache ich darauf aufmerksam. Und genau so haben wir das auch auf der Baustelle gelebt. Eine Kombination aus Hygiene- und Schutzmaßnahmen, enger Abstimmung innerhalb des eigenen Unternehmens und mit Geschäftspartnern und Behörden, Durchsetzungsklarheit und sicher auch etwas Glück haben uns bislang vor einem Corona-Fall bewahrt.
Als Director of Development Germany sind Sie weder ständig auf der Baustelle im Überseequartier noch bei anderen Projekten. Wie setzen Sie Ihre Schutz- und Hygienestandards durch?
Neben der Projektentwicklung in Hamburg ist unser Kerngeschäft in Deutschland und den anderen elf Ländern, in denen URW aktiv ist, das Betreiben von Shoppingcentern. Und da haben wir jeweils an den verschiedenen Standorten von den nationalen und internationalen Kollegen lernen können. Wir profitieren hier von „Best Practice“-Modellen. Was erfolgreich funktionierte, haben wir überall umgesetzt. Wir haben unsere Konzepte in den Bereichen Gesundheitsschutz, Sicherheit und Hygiene Woche für Woche weiterentwickelt und mit den Behörden und den internationalen Kollegen abgestimmt. Das war auch für Hamburg von Vorteil.
Führt die Verschiebung der Eröffnung um rund ein Jahr zu einer Aktualisierung des Mixed-Use-Quartier-Konzeptes des Westfield Hamburg-Überseequartiers? Bauen Sie mehr Wohnungen und weniger Büros auf Grund des Digitalisierungsschubes durch die Pandemie und von mehr Homeoffice-Arbeitsplätzen?
Wir bauen derzeit unter anderem 48.000 Quadratmeter Büroflächen und 650 Wohnungen im Westfield Hamburg-Überseequartier. Diese Pläne bleiben bestehen. Und ich zahle mal sofort drei Euro ins Phrasenschwein ein (lacht), denn: „Die Sache muss man differenzierter betrachten.“
Inwiefern?
Es sind zwei Themenblöcke. Der eine ist das Konzept. Wir glauben nach wie vor daran, dass ein Mixed-Use-Projekt das richtige für heute und für die Zukunft ist. Wir sind davon überzeugt, dass unser spezifischer Nutzungsmix, diese Idee des Sehnsuchtsorts, an dem man arbeiten, wohnen und seine Freizeit verbringen will, auch das richtige Produkt für die nächsten Jahrzehnte ist – ohne dass man jetzt schon jede Mikromaßnahme definieren könnte. Für uns steht die langfristige Attraktivität, Vielseitigkeit und Zukunftsfähigkeit von unserem Projekt außer Frage.
Und das zweite Thema?
Der Einzelhandel. Wir haben uns weder zum Projektstart noch mittendrin noch heute festgelegt, wie viele von den ausgeschriebenen 80.500 Quadratmetern Fläche am Ende klassischer Einzelhandel sein werden. Das ist eine Maximalfläche, die uns die Stadt zur Verfügung gestellt hat, wo wir theoretisch und praktisch auch Einzelhandel machen können. Zugleich haben wir immer betont, dass zu diesen Handelsflächen auch Freizeitflächen gehören.
Ist das nicht Wortklauberei?
Nein! Ich habe nicht vor, von dieser Größe wegzurudern. Für uns ist heute und in Zukunft Shoppen die schönste Nebensache der Welt, die schönste Art, seine Freizeit zu verbringen. Wir denken das Shoppen nur seit jeher im Einklang mit der Nutzung attraktiver Gastronomie-, Freizeit-, Unterhaltungs- oder Kulturangebote. Hierauf beziehen sich die 80.500 Quadratmeter. Und da bestimmt die Frage nach dem Online-Handel kommt – es ist ja legitim, online Waren zu kaufen. Das macht jeder. Uns geht es aber darum, die besten physischen Plattformen für den Einzelhandel zu gestalten und diese über Omnichannel-Lösungen mit dem E-Commerce zu verbinden. Das ist der Weg in die Zukunft. Wir glauben noch stärker als vor der Pandemie daran, dass die Vernetzung von Online- und Offline-Handel der richtige Weg für jeden Einzelhändler und auch für uns ist. Darauf setzt ja auch unsere Kooperation mit Zalando über deren Plattform „Connected Retail“. Es geht um den Ansatz, Einzelhändlern zu ermöglichen, nicht nur auf der Fläche, sondern zugleich auch online präsent zu sein. Das Warenangebot, das Händler heute haben, muss omnipräsent auf verschiedensten Plattformen und Kanälen abgedeckt sein. Gemeinsam mit Zalando werden wir für unsere Mietpartner vor Ort die Vernetzung ihrer physischen Fläche mit dem Internet und dem Versand logistisch lösen. Nebenbei hat das auch positive Effekte mit Blick auf umweltfreundlichere Lieferketten und Logistikprozesse.
Gibt es denn zurzeit neben der Accor-Gruppe mit drei Hotelmarken andere Partner, die sich fürs Über-seequartier verpflichtet haben?
Auch das muss man etwas genauer betrachten. Wir haben mit Pullman, Novotel und ibis Styles tolle Hotelmarken an Bord. Wir haben bereits DC Developments als Partner für rund zwei Drittel der Wohnungen bekanntgegeben. Wir realisieren ein gemischt genutztes Projekt. Diese Partnerschaften sind für uns genau so wichtig.
Aber wichtige Mieter, sogenannte Ankermieter, verkündet man gerne, weil sie die Vermarktung ankurbeln. Große Hamburger Medien veröffentlichen, dass es keine geben soll.
Dass wir noch keinen einzigen Mietvertrag unterschrieben haben sollen, ist schlichtweg falsch. Ich kann Sie beruhigen, dass wir auch in den Bereichen Einzelhandel und Freizeit bereits Mietverträge unterschrieben haben. Wir werden diese aber zu gegebener Zeit ankündigen. Wir möchten das Timing gerne selbst bestimmen. Und nebenbei: Unser Plan ist es gewesen, Herbst 2022 zu eröffnen, jetzt wird daraus die zweite Jahreshälfte 2023. Selbst für den Termin in 2022 wären es Anfang März zu Beginn der Pandemie noch zweieinhalb Jahre bis zur Eröffnung gewesen und deswegen wären wir selbst bei einer geplanten Bekanntgabe der großen Mietpartner im Sommer 2020 noch sehr früh dran gewesen. Bei „herkömmlichen“ Projekten kündigt man die Großmieter anderthalb bis zwei Jahre vor Eröffnung an. Das ist der übliche Zeitrahmen. Mittlere und kleinere Mieter veröffentlicht man normalerweise ein Jahr vor Eröffnung. Mit unserem Zeitgerüst waren wir bis zum Frühjahr entspannt und sind es heute immer noch, da wir nun ja durch Corona-bedingte Bauverzögerungen noch ein Jahr Zeit haben. Dennoch kann ich klar sagen: Das Interesse im Markt ist sehr groß und wir führen mit Hochdruck Gespräche für alle Nutzungsbereiche.
In der Branche sagt man, dass Großmieter spätestens mit Abschluss der Tiefbauarbeiten bekanntgegeben werden. Richtig?
Die Faustformel stimmt grob und würde auch für uns fürs Überseequartier passen, wenn wir nächstes Frühjahr aus dem Boden kommen werden.
Stichwort Büromarkt. BNP Paribas Real Estate hat analysiert, dass die Büroflächennachfrage in Hamburg im ersten Quartal 2020 um rund 50 Prozent zurückgegangen sei. Das Thema hat das Überseequartier nicht exklusiv, sondern betrifft theoretisch etwa auch das Elbbrückenquartier in der HafenCity-Ost. Die berühmten Hamburger Spatzen pfeifen von den Dächern, dass geplante Büroflachen in Wohnungen umgewandelt werden sollen, was wiederum die Stadt freuen würde. Kommt das fürs Überseequartier?
Mal grundsätzlich: Hamburg hatte vor Corona einen Büroleerstand von bis zu sieben Prozent. Das war eine der niedrigsten Leerstandsquoten Deutschlands. Schon vor Corona haben erstens viele große Unternehmen daran gearbeitet, ihre Mietflächen zu optimieren, weil viele die Flexibilisierung von Arbeit interessiert hat und die jüngeren Generationen neben ihrem Einkommen sehr stark darauf bedacht sind, Arbeitszeit und Arbeitsmodelle zu bevorzugen, die in Richtung flexibel gestalteter Arbeit gehen.
Zweitens gab es in Unternehmen schon immer Diskussionen, wie man es eigentlich hinbekommt, dass nicht jeder Mitarbeiter, der zu diesem Unternehmen gehört, einen eigenen Arbeitsplatz braucht. Die Frage war schon vor Corona, wie es im Teamwork gelingt, so flexible Arbeitsplätze zu schaffen, dass Homeoffice mit genügend räumlicher Verfügbarkeit in Büros effektiv verbunden werden kann.
Drittens, und das ist der entscheidende Punkt, wird der Bürostandort Westfield Hamburg-Überseequartier sicher einer der attraktivsten und außergewöhnlichsten, den Hamburg zu bieten hat. Direkt an der Elbe, Rundum-Blick auf Hafen, Innenstadt und anlegende Kreuzfahrtschiffe, optimale infrastrukturelle Einbettung und zudem im Umfeld das Mixed-use-Quartier mit Gastronomie, Unterhaltung, Kino, Hotels. Was möchte man mehr als Unternehmen oder Büromitarbeiter?
Corona führt aber überall zu Kostenoptimierungen. Der „Spiegel“ will offenbar sogar wegen Homeoffice-Trends Teile seiner Büroflächen untervermieten.
Natürlich denken zurzeit und auch noch nach der Krise viele darüber nach, wie man kostenoptimiert arbeiten kann. Aber es wird die Arbeitswelt nicht vollständig revolutionieren. Um so wichtiger wird es wie bei uns im Überseequartier, dass man als Arbeitgeber innovative und attraktive Arbeitsstandorte und -plätze bieten kann. Westfield Hamburg-Überseequartier will eine tolle Destination sein, wo Wohnen, Arbeit und Freizeit verschmelzen – und dazu gehören auch künftig Büros. Natürlich beobachten und analysieren wir Entwicklungen professionell und nehmen sie ernst. Aber so wie Homeoffice nicht zu jedem Lebenskonzept oder familiären Lebensumständen passt, wird die Coronavirus-Pandemie nicht dafür sorgen, dass alles über den Haufen geworfen werden müsste.
Das Feuer engagierter Facharchitekten-, Stadtplaner- wie auch Anwohnerkritik ist nicht zu löschen. Sie attackieren immer wieder die Gebäudehöhen des Überseequartiers, u.a. wegen Verschattungen und baulichen Winderzeugungen. Will URW an den geplan-ten Bauvolumen und Gebäudehöhen festhalten?
Erstens, das ist der entscheidende Punkt – und dafür gibt es keine drei Euro ins Phrasenschwein –, gibt es beim Überseequartier ein ausgewogenes, balanciertes städtebauliches Konzept. Die Gebäudehöhen wechseln sich harmonisch und fließend ab. Und nebenbei, zweitens, sind heute die Fundamente für das, was gebaut wird, für die aufragenden Gebäude, schon gegossen. Ganz plastisch: Man kann nicht mal eben wie im Lego-Baukasten drei, vier Stockwerke von links nach rechts schieben. Zudem haben wir sämtliche Baugenehmigungen der Stadt erhalten.
Das genau bestreiten die Kritiker*innen.
Darauf antworte ich mit einem Bild, das aus unserer zweiten URW-A-Stadt Berlin stammt. Der frühere Berliner Baudirektor Hans Stimmann, Architekt und Stadtplaner, der wesentlich das Zusammenwachsen von West- und Ostberlin nach dem Mauerfall mitgestaltete, hat das ungeschriebene Gesetz geprägt, dass sich Gebäude einer gewissen „Gesimshöhe“ anpassen müssen, dass eine Stadt nur ausgewogen wahrnehmbar sei, wenn alle „Traufen“ auf der gleichen Höhe sind. Das wurde dann irgendwann als zu langweilig kritisiert. In Hamburg verkörpern dies Stadtteile wie Harvestehude, Winterhude oder Eppendorf, wo Architektur nicht so „herumzappelt“, sondern von Harmonie geprägt ist.
Die HafenCity ist von Anfang an einen anderen Weg gegangen. Man wollte eine Vielfalt in der Architektur und auch in der städtebaulichen Ausprägung. Es macht nichts, wenn ein Haus mal niedriger oder herausragender ist. Im Gegenteil: Auch höhere Gebäude sind wichtig für Orientierung in Teilen von Städten. Und das haben unsere Architekten und Stadtplaner, die den Bebauungsplan 15 entwickelt haben, verinnerlicht. Es geht mir nicht um die Frage, ob der Investor möglichst viel Baumasse auf einem Grundstück unterbringen konnte, sondern um den Spannungsbogen zwischen der gefühlten Leichtigkeit, unterschiedlichen Baustilen und Kubaturen und den Bauvolumen einzelner Gebäude.
Und zu den Kritikern?
Wir nehmen das natürlich sehr ernst, diskutieren die im Fokus stehenden Aspekte und stehen auch im Austausch mit den Akteuren, die das Bauvorhaben kritisch betrachten. Das gehört für uns dazu.
Vor sechs Jahren hat man den Bebauungsplan 15 für das heutige Konzept geändert. Warum?
Weil sich damals das gesamte Konzept geändert hat. Der frühere Bebauungsplan sah vor, dass man die Typisierung des nördlichen Überseequartiers (heute u.a. mit dem Überseeboulevard; Anm. d. Red.) einfach nach Süden weiterzieht. Der einzige Eyecatcher war das damals geplante Science Center, als optischer Höhepunkt in dem damalig geplanten südlichen Überseequartier mit eher beständigen Bauvolumina. Und selbst das nördliche Überseequartier hat ja inzwischen mit dem hervorragenden Cinnamontower ein dominantes Architektur-Zeichen bekommen. Und aus so einer städtebaulich dominanten Position heraus hat man entschieden, dass es dem Abschluss der westlichen HafenCity guttun würde, noch die eine oder andere städtebauliche Dominante zu haben.
Im Moment sind zum Beispiel alle Aida-Kreuzfahrten storniert und die Kreuzfahrtbranche kämpft um Überlebenskonzepte. Die Größe der Cruise-Schiffe für die HafenCity ist um etwa 50 Prozent gesenkt worden. Braucht das Überseequartier das Kreuzfahrtterminal?
Die Kreuzfahrten sind in den vergangenen Jahren so rasant ein touristischer Schlager geworden und gewachsen, dass das Akzeptanzmanagement nicht hinterhergekommen ist. Kein Hamburger hat etwas gegen Schiffe, sie lieben sie sogar – auch die Kreuzfahrtschiffe, wenn man etwa an den Erfolg der Cruise Days denkt. Auch die Stadt und alle Beteiligten haben verständlicherweise etwas Zeit gebraucht, etwa mit nachhaltigen Landstromanschlüssen, das Kreuzfahrtgeschäft in eine stabile Entwicklung zu führen. Deshalb gab es überall Kreuzfahrtterminalprovisorien wie auch in der HafenCity.
Meine Frage ist: Braucht Hamburg denn ein innenstadtnahes Kreuzfahrtterminal? Wir als Projektentwickler sind nach wie vor der Meinung, dass nachhaltiger Kreuzfahrttourismus direkt an der Innenstadt genau das Richtige ist. Es muss nur so organisiert und baulich abgebildet werden, dass es auch funktioniert. Es will doch keiner einen Hamburger Hafen, der ein reiner Güterumschlaghafen ist. Der Hafen soll doch einen kulturellen Mehrwert für unsere Stadt Hamburg und seine Besucher haben. Und das schafft man nicht, wenn man das Kreuzfahrtbusiness auf irgendeiner Mole im Hafen abwickelt. Das erreichen wir aber, wenn wir einen nachhaltig funktionierenden, fußläufigen Cruiseterminal zur Innenstadt haben. Und das werden wir zusammen mit unseren Partnern bei der Stadt realisieren.
Corona hat nicht nur Ihnen u.a. die Terminverzögerungen beschert, sondern auch die Konkurrenz des Einzelhandels, das Onlinebusiness, extrem gepusht. Einzelhändler werden vorsichtiger. Können die von Ihnen geplanten großen Einzelhandelsflächen vermietet werden?
Ich kenne zurzeit kein großes Unternehmen, egal aus welcher Branche, dass für sich nicht beschlossen hat, in jeglicher Hinsicht vorsichtig zu sein. Das ist doch aber keine mittel- oder langfristige Frage. Unsere Partner im Einzelhandel haben doch auch für sich verstanden, dass es in Zukunft mehr Wettbewerb geben wird und es mehr denn je auf den Standort ankommt, wo man Einzelhandel gut betreiben kann.
Und da kommt wieder unsere steinerne feste Brust: Wir sind vollends überzeugt, dass wir den Einzelhändlern mit dem Westfield Hamburg-Überseequartier den richtigen und perfekten Standort zur Verfügung stellen, am dem man künftig erfolgreich Einzelhandel betreiben kann. Übrigens gibt es jedes Jahr in Deutschland oder auch in Übersee neue kreative Konzepte im Einzelhandel, die wir herzlich bei uns will-kommen heißen. Es ist doch spannend, welche neuen Ideen Corona und auch die grundsätzliche Transformation des Handels noch bis zur Eröffnung in 2023 hervorbringen wird. Krisen fördern die Innovationskraft – und insbesondere diese Krise auch das „Multi-Channeling“, die Vernetzung vom Off- und Onlinebusiness von Einzelhandelsunternehmen. Dafür sind wir optimal aufgestellt und bieten eine attraktive Plattform für außergewöhnliche, innovative Marken und Konzepte.
Also keine Vermietungsskepsis bei Ihnen?
Wir haben im Moment wenig Sorge, dass wir unsere Quadratmeter im Westfield Hamburg-Überseequartier nicht erfolgreich vermarkten können. Auch, weil wir uns neben dem klassischen Einzelhandel stark auf die Gastronomie mit über 40 Betrieben sowie auf den Freizeit- und Entertainmentbereich fokussieren. Nicht zu vernachlässigen ist der wachsende Bereich von Fitness-, Well-Being- und Gesundheitsangeboten, wo die Nachfrage an qualifizierten hochwertigen Flächen wächst. Hieraus wollen wir einen einzigartigen und differenzierten Mieter- und Markenmix herausarbeiten, der Hamburg insgesamt attraktiver machen wird.
Sorry, noch einmal Einzelhandel. Warum soll das Überseequartier attraktiver sein, als eine von der Stadt mitfinanzierte voll restaurierte und modernisierte Mönckebergstraße bzw. Innenstadt?
Ich glaube fest daran, dass es diesen herbeigeredeten Dualismus von Innenstadt und Hafen-City überhaupt nicht gibt. Wir müssen als Hamburger gerade rücken, dass wir eine Metropolregion Hamburg sind, die ein Zentrum hat: das war, ist und wird die Innenstadt sein. Die HafenCity ist in allen Konzepten der Stadt Hamburg immer die natürliche Erweiterung der Innenstadt hin zum Wasser, an die Elbe.
Und genau so ein Konzept ist in vielen Metropolen dieser Welt aufgegangen und diese Innenstadt-HafenCity-Kontroverse habe ich so heftig in keiner Metropole der Welt erlebt – weder in London noch in Oslo. Es hat dort funktioniert und wird auch in Hamburg funktionieren. Wenn wir die HafenCity als Innenstadt begreifen, stellt sich Ihre Frage nicht. Man muss viel mehr fragen: Wie stark ist die Innenstadt inklusive HafenCity eigentlich aufgestellt, um diese alte Stärke als Zentrum der Metropolregion wieder darzustellen. Wir sehen keinen Dualismus, wir setzen auf Zusammenarbeit und Kooperation und haben die Attraktivität und Strahlkraft der gesamten Stadt Hamburg im Blick. Daher engagieren wir uns beispielsweise auch in Hamburger Vereinen und Verbänden wie dem City Management Hamburg oder dem Tourismus Verband. Das ist für uns selbstverständlich und sehr wichtig als Teil einer ganzheitlich gedachten Projektentwicklung.
Wie bewerten Sie die Schließungen von Galeria Karstadt Kaufhof und Karstadt Sport und den damit auf lange Zeit verbundenen Leerständen in der Mönckebergstraße?
So unglaublich bitter das vor allem für die Mitarbeiter, die Vermieter mit den plötzlich wegfallenden Mieteinnahmen und der fehlenden Besucherfrequenz in den Bereichen ist: Es bietet gleichwohl eine Chance, dass sich die Innenstadt, die gut funktioniert, weiterentwickeln kann. Auch für diese Standorte gilt, dass nicht immer nur der Einzelhandel die Antwort ist. Es braucht wie bei uns ein intelligent zusammengestelltes Potpourri an Angeboten, die die Innenstadt lebenswert machen.
Als Topmanager der Entwicklung und des Baus des Überseequartiers mit rund einer Milliarde Investitionsvolumen ist es auch Ihr Kerngeschäft, den sogenannten Worst Case zu planen. Kann es sein, dass eine zweite Coronawelle zum Ausstieg von Unibail-Rodamco-Westfield beim Überseequartier führen könnte?
Ganz kurz: nein. Die Frage hat sich für uns zu keinem Zeitpunkt gestellt. Das Westfield Hamburg-Überseequartier ist bei Unibail-Rodamco-Westfield ganz oben gelistet, was die Entwicklungen im Portfolio, also in den USA und Europa angeht. Es gibt bei uns das klare Bekenntnis, dieses Projekt zu Ende zu bauen und zum Erfolg zu führen. Ein zweiter Lockdown wäre für jeden, also auch für uns herausfordernd. Es ist und bleibt für uns ein strategisch essentielles Projekt und ist auch für Hamburgs Zukunft der Innenstadt ein existenzieller Baustein. Der von Ihnen erfragte Worst Case kommt nicht und es gibt auch keinen Plan B. Punkt.
Was wünschen Sie sich persönlich für die kommenden zwölf Monate?
Ich wünsche mir, dass wir uns alle gemeinsam durch diese Krise navigieren, dass wir den Glauben an eine positive Zukunft nicht verlieren und dass wir nicht nur Zweckoptimisten sind, die nebeneinander die Dinge weiterdenken, sondern dass wir aus dieser Krise heraus tatsächlich neue Dynamiken und Bündnisse entwickeln können. Für mich persönlich, für unser Westfield Hamburg-Überseequartier und für die Gesellschaft wünsche ich mir auch, dass wir uns nicht weiter voneinander entfernen, in Pessimisten und Zweckoptimisten aufteilen, sondern gemeinsam Zukunft gestalten. Bei uns haben wir ein unternehmenskulturelles Prinzip „Together at URW“. Das „Together“ daraus ist mein Bild dieses Projektes und der Gesellschaft und gibt mir jeden Tag den Antrieb aufzustehen.